Kommentar: Münsters Bahnhofsviertel den Hotels?

Münster braucht keine neuen Hotels – Münster braucht bezahlbaren Wohnraum, Räume für unkommerzielle Kunst, Kultur und Politik und eine Stadtplanung mit und für die Bewohner*innen der Stadt!

Sechs neue Hotels sollen in der Umgebung des Münsteraner Hauptbahnhofs entstehen[1], teilweise werden sie bereits gebaut. Vier von ihnen sind in direkter Nachbarschaft im Bereich Herwarthstraße / Von-Steuben-Straße geplant (Atlantic, Novotel, Ibis und Bed-and-Breakfast-Hotel). Insgesamt entstünden somit über 1400 neue Hotelbetten. Gerechtfertigt wird die Ausweitung des Hotelangebots zum Beispiel mit der angeblich zunehmenden Attraktivität der Stadt Münster im Tourismusbereich und für Kongresse und Tagungen. Besonders letzteres wird immer wieder betont, auch vom Oberbürgermeister Markus Lewe.[2] Dazu kommen Rechnungen, die den für Hotelgäste positiven Effekt aufzeigen sollen, dass durch erhöhte Konkurrenz von Hotels die Preise für die Hotelzimmer angenehm blieben.[3] Städtebaulich seien die Hotels ebenfalls zu loben. So würden sie doch in den Plan passen, Münsters Altstadt mit dem Hafen zu verbinden.[4] Schenkt man der öffentlichen Berichterstattung also Aufmerksamkeit, so scheint der Bau der neuen Hotels nur positiv für Münsters Bahnhofsviertel und die Stadt Münster insgesamt zu sein. Ginge es nach Oberbürgermeister Lewe, sollten doch „weitere große Hotelbauten in der Kongressstadt Münster“[5] entstehen.

 

Dem kann aber entgegnet werden: Münster braucht diese Hotels nicht!

Münster ist eine wachsende Stadt, der Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt. Menschen mit niedrigem Einkommen können kaum noch zentrumsnah eine Wohnung finden und müssen sich an die Stadtgrenzen orientieren. Gebaut wird; aber vor allem für ein reicheres Milieu. Menschen, die nicht in das Bild der schicken Stadt Münster passen, werden verdrängt, wie zum Beispiel Razzien am Bremer Platz darlegen. Die entstehenden Hotels zeigen für wen Münster und speziell das Bahnhofsviertel verplant wird: Tourist*innen und Kongressteilnehmer*innen, Menschen, von denen erhofft wird, dass durch sie Profit erwirtschaftet werden kann, und eben nicht für (zukünftige) Bewohner*innen und Nutzer*innen der Stadt. Der Kern des Problems aber liegt nicht in Tourist*innen und Kongressteilnehmer*innen selbst begründet: Dahinter steckt eine städteplanerische Logik, nach der Münster in Konkurrenz zu anderen Städten bestehen und größtmögliche Profite erzielen muss. Das ist das Paradigma einer neoliberalen Stadt! Für die Bedürfnisse der Bewohner*innen, seien sie noch so existenziell, scheint dabei kein Platz zu sein. Oder hat etwa jemand die Menschen im Hafenviertel gefragt, ob sie sich wünschen, dass ihr Viertel an die Altstadt angeschlossen werden soll, wie der Oberbürgermeister es gern betont?! Dass der Bau des Novotel- und des Ibis-Hotels nicht beginnt und langsam der Eindruck entsteht, dass hier spekuliert würde[6], passt in dieses Bild: Münsters Bahnhofsviertel wird in einer neoliberalen Logik verplant, für (private) Profite hergegeben und ohne Rücksicht auf Bewohner*innen und Nutzer*innen der Stadt entwickelt.

Dabei sind die Bauvorhaben auch in sich unschlüssig. In der Jahresstatistik zum Thema „Gastgewerbe“ wird deutlich, dass die Hotelauslastung im Schnitt 2018 bei grade einmal ca. 50% gelegen hat.[7] Wie ist da die Forderung nach mehr Hotelkapazität zu rechtfertigen? Und auch ein Blick in die Statistiken zu „Tagungen und Kongressen“ zeigt ein anderes Bild als seitens der Stadt proklamiert wird: Weder Tagungen und Kongresse im Allgemeinen noch zum Beispiel in der Halle Münsterland im Besonderen zeigen einen nennenswerten Anstieg. Teilweise sind sie gar deutlich rückläufig![8]

Wenn also nun die Rechtfertigungen für den Bau der neuen Hotels offensichtlich nicht stichhaltig sind, so stellt sich die Frage, warum die Hotels überhaupt entstehen sollen? Vermutet werden kann, um eben neoliberalen Paradigmen zu entsprechen und so die Stadt Münster in Konkurrenz zu anderen Städten noch optimaler zu vermarkten.

 

Auswirkungen auf das Viertel – das Beispiel „Flowers Hotels“?

Welche Auswirkungen es haben kann, wenn Gebiete zu Anlage- und Investitionsobjekten verkommen, bezeugt nun der Fall „Flowers Hotels“ des Investors Andreas Deilmann. Nachdem sich Gäste des Hotels über Lärm – wir befinden uns wohlgemerkt mitten in der Innenstadt in direkter Nachbarschaft zu Gleisanlagen und der vielbesuchten Wolbecker Straße – aus der kleinen Straße Bremer Platz beschwert hätten, entschloss sich Deilmann kurzerhand dazu, die Immobilien in jener Straße aufzukaufen und „diesen Bereich aufzuwerten“[9]. Dies hat in den letzten Monaten dazu geführt, dass ihm nun die halbe Häuserzeile gehört. In Folge wurden zunächst den ansässigen Gewerben gekündigt, es soll Platz entstehen für „interessante gastronomische Konzepte“[10]. Und damit nicht genug: Teile der Straße sollen zur Fußgängerzone werden. Deilmann stellt sich eine „Fressgasse“[11] vor.

Es ist also zu erkennen, wie unmittelbar die Gewerbestruktur auf Grund von Kapitalinteressen durch eine schicke, moderne Stadt verdrängt wird: Passen etwa Gewerbeangebote nicht in dieses Bild, so wird diesen aufgekündigt. Sie müssen Räumen für statushöhere Schichten weichen. Dass ein Viertel auch mal damit punkten kann, dass es sich nicht nach dem schicken immer gleichen Münster anfühlt, interessiert nicht. Welche Auswirkungen die Veränderungen auch auf ortsansässige Mieter*innen hat, lässt sich bisher nur vermuten. Es wäre aber schon verwunderlich, wenn Prozesse der Verdrängung hin zu höherpreisigen Mietangeboten nicht einsetzen würden, kommt doch hinzu, dass durch das sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindende Hansator seitens der Stadt ohnehin Aufwertung der Bahnhofs-Ostseite angestrebt wird. Aufwertung wird hier abermals als beschönigender Ausdruck für die Verdrängung von Mieter*innen und Kleingewerben benutzt.

 

Alles anders?!

Stadtplanung muss nicht unter den gegebenen, ökonomischen Verhältnissen geschehen. Mehr noch: Als existenzieller Aspekt darf Stadtplanung sich nicht an diese halten, wenn sie nach neoliberalen Prinzipien eingerichtet sind und Bewohner*innen und Nutzer*innen der Stadt in ihr nicht berücksichtigt werden! Besonders preiswerter Wohnraum und unkommerzielle, selbstverwaltete Räume müssen geschützt, erhalten und gefördert werden. Stadtplanung muss von den Menschen ausgehen und für die Menschen betrieben werden, und nicht für den Selbstzweck der Vermehrung von Profit an ihr, wie es im Moment allzu deutlich der Fall ist. Mit solchen Logiken muss daher gebrochen werden, um eine Stadt für alle zu ermöglichen!

 

Initiative MS Bahnstadt-Süd im November 2019

 

[1] Repöhler, Ralf (2018): Das „Atlantic“ wird das Flaggschiff. Im Internet: https://www.wn.de/Muenster/3304808-Sechs-neue-Hotels-fuer-Muenster-Das-Atlantic-wird-das-Flaggschiff (Stand: 26.11.2019).

[2] Vgl. Repöhler, Ralf (2019): Grundstein des neuen „Atlantic“-Hotels gelegt. Im Internet: https://www.wn.de/Startseite/Startseite-Schattenressort/3943892-50-Millionen-Euro-Projekt-Grundstein-des-neuen-Atlantic-Hotels-gelegt (Stand: 26.11.2019).

[3] Hillmoth, Gabriele; Kalitschke, Martin (2017): Weniger Übernachtungen: Mehr Hotels für Münster? Im Internet: https://www.wn.de/Muenster/2017/03/2727922-Pro-Contra-Weniger-Uebernachtungen-Mehr-Hotels-fuer-Muenster (Stand: 26.11.2019).

[4] Vgl. Repöhler, Ralf (2019): Grundstein des neuen „Atlantic“-Hotels gelegt. Im Internet: https://www.wn.de/Startseite/Startseite-Schattenressort/3943892-50-Millionen-Euro-Projekt-Grundstein-des-neuen-Atlantic-Hotels-gelegt (Stand: 26.11.2019).

[5] Ebd.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. Jahresstatistik „Gastgewerbe“. Im Internet: https://www.stadt-muenster.de/fileadmin//user_upload/stadt-muenster/61_stadtentwicklung/pdf/jahr/Jahres-Statistik_2018_Gastgewerbe.pdf (Stand: 26.11.2019). S.4f.

[8] Vgl. Jahresstatistik „Gastgewerbe“. Im Internet: https://www.stadt-muenster.de/fileadmin//user_upload/stadt-muenster/61_stadtentwicklung/pdf/jahr/Jahres-Statistik_2018_Gastgewerbe.pdf (Stand: 26.11.2019). S.10f.

[9] Vgl. Kalitschke, Martin (2019): Deilmann kauft Häuserzeile auf. Im Internet: https://www.wn.de/Muenster/4043518-Investor-erwirbt-Gebaeude-hinter-Hauptbahnhof-Deilmann-kauft-Haeuserzeile-auf (Stand: 25.11.2019).

[10] Ebd.

[11] Ebd.